Dienstag, 9. September 2014
Im Mondlicht
Die junge Frau kniete sich draußen auf das weiche vom Moos durchwachsene Gras. Der Vollmond ließ sie in einem silbernen Licht erscheinen. Das lange dunkle Haar, dass über ihre Schultern fiel wurde vom Wind zärtlich umweht.

Sie hatte den Mond gesehen und er zog sie, wie früher in ihren Bann und ihre Gedanken gingen zurück. Zurück zu dem Einen, der ihr Herz einst erobert hatte. Der den Mond, die Sterne, die Geschichten genauso liebte, wie sie.

Nachdem sie den Mond eine Weile betrachtet hatte kehrte ihr Blick nach innen. Und wenn man sie jetzt ansah, so sah sie so aus, als würden ihre Beine, ihr Körper sich immer mehr zu einem Baum verwandeln. Als würden ihre Umrisse mit der Umwelt verschmelzen.

Der Blick nach innen zeigte ihr ihre Schätze... die Menschen, die sie liebte. Die schönen Augenblicke, die guten, liebevollen Worte. Die Momente der Zeit, die sie für sich aufgespart hatte, an die sie sich willentlich erinnern wollte. Blicke, Gesten, lustige Begebenheiten. Manches schien etwas Durcheinander, aber sie erkannte eine Ordnung darin. Und diese Ordnung machte ihr bewusst, dass "er" nicht da war.
Sie erinnerte sich an ihre Wünsche, Fantasien, an die Scheinwelt, in die sie mit ihm abgetaucht war. Dort, wo alles gut war. Sie Liebe spürte und geben durfte und den anstrengenden Rest, die Wirklichkeit vergessen durfte.

In diesem Moment wurde ihr klar, warum er nicht da war. Es war eine Scheinwelt gewesen. Auch wenn sie sich noch so echt, noch so real angefühlt hatte. Ja, es gab ihn wirklich, aber nicht so. Waren diese Gedanken jetzt Verrat, an die Versprechen von damals? Nein. Sie hatte ihn nicht vergessen. Aber es war gut, dass ihr Leben nicht mehr von ihm abhing.

Plötzlich flog ein Käuzchen über sie hinweg und sie löste sich aus ihrer Starre. Ihr Blick ging wieder nach außen. Der Mond war höher gestiegen und ein paar Wolken tanzten um ihn herum. Plötzlich wurde ihr kalt. Sie stand auf und rannte zurück ins Haus.

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